Ist Sigmar Gabriel nicht großartig? Auf jeden Fall ist er großzügig: Extra für die Parlamentarier richtet der SPD-Vorsitzende in seinem Ministerium einen Lesesaal für Akten ein.
Vorher hatte es zwar ein Lamento des Parlamentspräsidenten gegeben; aber Erzengel Gabriel hatte dann eine Erleuchtung und begab sich zu Norbert Lammert hernieder in die Niederungen des Deutschen Das-wird-mir-zu-buntestags. Damit das Parlament nicht vom Freihandelsabkommen TTIP abkommt, dürfen die Abgeordneten jetzt die entsprechenden Akten im Wirtschaftsministerium lesen. Das ist doch echte Transparenz, oder?
Die Dokumente kopieren dürfen die Mitglieder des Bundestags zwar nicht; kapieren dürfen sie sie auch nicht; aber wenigstens studieren. Diese Unmengen von Papier kann ja sowieso kein Mensch lesen, geschweige denn verstehen oder gar behalten.
Behalten dürfen die streng bewachten Nutzer des Lesesaals die Dokumente nicht. Behalten müssen die von Gabriel großzügig gehätschelten Abgeordneten nur, dass sie dem TTIP zustimmen. Darüber müssen sie nämlich irgendwann abstimmen.
Dass sie damit für einen Putsch der Wirtschaft gegen die Demokratie stimmen, stimmt natürlich nicht: Sie stimmen nur dafür, dass im Zweifel die Wirtschaft regiert und nicht die Politiker. Aber das ist ja jetzt auch nicht so wesentlich anders, oder?
Schließlich ist Gabriel ja Wirtschaftsminister: Er hat dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft boomt. Dafür braucht sie das TTIP. Das hilft den Großkonzernen, weltweit die kleinen Krauter aus den lukrativen Geschäften zu verdrängen.
Wenn erst mal TTIP herrscht, dann können sie mit Waffen handeln; und der Bundestag kann Rüstungsgeschäfte verbieten, soviel er lustig ist: Am Ende hat er immer mit Zitronen gehandelt. Denn Gesetze, die die Geschäfte stören, können die gierigen Geschäftemacher mit Hilfe von TTIP gegen den Gesetzgeber durchsetzen.
Freihandelsabkommen heißt, dass der Handel völlig frei ist und der Staat von der Demokratie abkommen muss. Alles wird zur Ware, mit der man Geschäfte machen kann. Alles Andere ist nicht das Wahre, oder?
Kultur und Gesundheit werden ebenso zum Geschäft wie die öffentliche Daseinsvorsorge. Privatisierung ist Trumpf; und das Bordell hat ebenso Anspruch auf Subventionen wie das Drama im Theater.
Menschen müssen funktionieren wie Maschinen. Politik läuft wie geschmiert. TTIP macht´s möglich.
Angesichts dieser frohen Botschaft ist so ein Lesesaal im Wirtschaftsministerium doch besser als einer in der amerikanischen Botschaft. Je mehr Kapellen man den Märkten errichtet, desto gläubiger werden die Lemminge, sie verehren. Gabriel ist der Engel Gottes, der seine Weisungen niederbringt auf die Erde zu den Ungläubigen in der SPD.
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