„Ein toller Aussichtspunkt“, meinte einer der Beamten der Bundespolizei bewundernd. Snyders stimmte zu: „Hier war ich auch noch nicht.“ Vom Spiegelslustturm schauten sie hinab auf Marburg und erwarteten das mitternächtliche Feuerwerk zu Silvester.
Die Aussichtsplattform war voller Menschen. Rundherum hatten sich acht schwerbewaffnete Polizisten in Kampfanzügen postiert. Tom sah am Rand auch zwei Zivilbeamte der GSG9.
Einige der Besucher beobachteten die ankommende Gruppe eher irritiert. Jemand kam auf Tom zu, um ihn anzusprechen. Einer der Leibwächter hielt den Mann auf Distanz.
„Was wollen Sie?“ Der Unbekannte blickte den Beamten ratlos an. „Das ist doch Herr Kraft, oder?“
Nachdem sich der Mann ausgewiesen hatte, ließ der Bewacher ihn an Tom heran. Er schüttelte ihm die Hand und wünschte „ein erfolgreiches Neues Jahr“.
Dann bauten sich alle am Geländer auf und drehten sich zum Lahntal um. Einige zählten die letzten Sekunden des Jahres herunter: „Zehn, neun, acht, sieben … “
„Prosit Neujahr“, riefen mehrere Menschen gleichzeitig. Gläser klirrten. Tom stieß mit Snyders und zwei Beamten an, die auch ein Glas Sekt in der Hand hielten.
Die anderen hatten es vorgezogen, nüchtern zu bleiben und sich ganz auf das Geschehen ringsum zu konzentrieren. „Marburg ist wirklich eine wunderschöne Stadt“, sagte einer der beiden Beamten, die mit Tom angestoßen hatten.
„Wenn Sie bei der Antrittsvorlesung dabei sind, werden Sie auch die Alte Aula kennenlernen“, sagte Tom. „Das ist einer der schönsten Säle Marburgs.“
Polizeirat Schätzle trat heran. Tom hatte ihn in den letzten Tagen nicht gesehen. Nun stand er unerwartet neben ihm, um mit ihm anzustoßen.
„Ich muss doch meinem bedeutendsten Schützling zum Neuen Jahr alles Gute wünschen“, sagte der Polizeibeamte. Dann stieß er mit Snyders und Tom an. „Was wünschst Du Dir?“ Snyders Mund war ganz dicht an Toms Ohr.
„Erst mal will ich diese Entwicklung fertigkriegen, so schnell es geht“, antwortete er. „Dann hoffe ich, dass alles so funktioniert, wie wir es errechnet haben.“
Schätzle nickte: „Das hoffe ich auch. Wenn ich es recht sehe, haben Sie immer noch Hackerangriffe abzuwehren?“
Sein Satz klang wie eine Frage. „Wir haben den akuten Angriff abgewehert“, antwortete Tom. „Aber wir müssen künftige Angriffe verhindern.“
Dann drehte er sich zu Snyders um und küsste sie lange hingebungsvoll auf den Mund. „Das“, flüsterte er ihr zu, „das und noch viel mehr wünsche ich mir von Dir.“ Sie sthönte leise. „Ich auch“, seufzte sie. „Ich liebe Dich, Tom.“
Beide nahmen noch einen Schluck aus dem Sektglas. Tom reichte es einem der Beamten, der die Gläser einsammelte. „Euch allen alles Gute für 2017“, sagte er sehr laut, sodass alle Polizisten es hören konnten.
„Danke“, hörte er einige von ihnen antworten. „Ihnen auch“, sagten zwei. „Danke Euch allen“, erwiderte Tom.
Ein Tross von zwölf Leuten setzte sich in Bewegung. Gleich hinter dem Spiegelslustturm standen fünf Autos. Im Konvoi fuhren sie durch den Wald die kurze Strecke bis zu Toms Institut.
„Irgendwie habe ich mich an die Bewacher ja gewöhnt“, sagte Tom zu seiner Geliebten. „Aber irgendwie werde ich mich auch nie daran gewöhnen.“
Snyders pflichtete ihm bei. „2016 war das seltsamste Jahr meines Lebens“, erklärte er. „Das schönste und das schlimmste!“
Snyders erwiderte: „Das schlimmste und das schönste, denn das schönste Geschenk meines Lebens hast Du mir im nun vergangenen Jahr gemacht.“ Sie zögerte kurz, bevor sie fortfuhr: „Deine Liebe ist wunderschön.“
Tom drückte sie eng an sich: „Du bist wunderschön. Ich bin so glücklich, dass ich Dich habe!“
Die Autokolonne hielt vor dem Institut. Alle stiegen aus. Snyders und tom gingen wieder in Toms Büro, wo er weiterarbeitete, während sieeine große Torte aus einer Einkaufstasche herausholte.
„Die habe ich gestern für Dich gebacken“, berichtete sie stolz. „Das erste Stück ist Deine erste Nahrung für´s Neue Jahr.“ Es klopfte. Meckler trat ein. „Wir haben´s geschafft“, berichtete er.
Tom sprang auf und fiel ihm um den Hals. „Jetzt muss es nur noch funktionieren, wie wir es ausgerechnet haben“, sagte er. Meckler reichte ihm das Gerät, das seinem KC2 zum Verwechseln ähnelte.
„Es ist noch dabei, die Software aufzuspielen“, erklärte er. „Triftler und Behrens kommen rüber, sobald sie die letzten Einheiten aufgespielt haben.“
Gleich darauf klopfte es erneut. Triftler und Behrens traten ein. „Die Software synchronisiert sich gerade noch. Dann kommt der spannende Moment.“
Tom betrachtete das KC3 in seiner Hand. Die Unterschiede zum KC2 waren ihm sehr genau bekannt. Ebenso genau kannte er auch die neue Software.
„KC3 Tom Kraft“, sagte er ins Mikrophon des neuen Supercomputers. „Willkommen, Tom Kraft“, antwortete das Gerät mit der Stimme von Snyders.
Snyders lachte. „Du Schelm“, sagte sie, „Deswegen also hast du mich neulich so viele Texte vorlesen lassen!“
Triftler feixte: „Alle anderen außer Tom redet das KC3 mit Toms Stimme an. Nur ihn verwöhnt es mit Deiner süßen Stimme.“ „KC3?“ Snyders sah Tom nachdenklich an. „Hattet Ihr etwa schon ein KC2?“ Tom nickte. Er reichte Snyders sein KC2. „Das hier ist mein KC2“, erklärte er.
Snyders betrachtete das kleine Gerät, das sie oft in Toms Hand gesehen hatte. Dann schaute sie zu dem KC3 hinüber, das auf Toms Schreibtisch lag. Das Gerät fragte: „Angriff auf feindliche Software beginnen?““
Neueste Kommentare