Der Jahrestag des Terrorabends von Hanau ist vorbei; und alle sind betroffen. Doch was waren die Sonntagsreden der Politiker wert?
Dergleichen dürfe nie wieder geschehen, beteuern sie. Dergleichen haben sie auch nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der NSU-Terrorserie beteuert. Geschehen ist allerdings wenig.
Unter der Bezeichnung „NSU 2.0“ bedrohen Unbekannte missliebige Menschen. Missliebig sind sie ihnen vor allem, weil sie selber Migrantinnen sind oder für Migranten eintreten. Missliebig sind sie ihnen vielleicht auch nur, weil sie sich gegen rechtsradikale Parolen verwahren.
Rassismus tötet. Erst tötet er in Worden; dann tötet er durch Handlungen. Das weiß Deutschland spätestens seit dem Lübcke-Mord und dem Attentat auf die Synagoge in Halle.
Rassismus tötet aber auch auf dem Mittelmeer. Rassismus tötet auf griechischen Inseln und in bosnischen Flüchtlingslagern.
Dieser Rassismus hat einen Namen. Dieser Rassismus hat eine Funktion. Dieser Rassismus weigert sich, Geflüchtete aufzunehmen, obwohl Hunderte deutscher Kommunen bereit sind, sie unterzubringen.
Dieser Rassismus ersinnt immer perfidere Gesetze, wie Geflüchteten das Leben in Deutschland schwergemacht werden kann. Dieser Rassismus schiebt Menschen nach Afghanistan ab und eine kranke Frau im Rollstuhl nach Äthiopien.
Dieser Rassismus sitzt auf seinen vier Buchstaben und wartet einfach nur tatenlos ab. Dieser Rassismus bedroht und bedrängt menschen in Not. Dieser Rassismus wird auch abgekürzt mit den Buchstaben „BAMF“.
Irgendwann später werden jüngere Generationen die Älteren fragen, wie es möglich sein konnte, dass das angeblich so „zivilisierte“ Europa Tausende im Mittelmeer ertrinken oder auf dem Balkan erfrieren, auf Lesbos verbrennen oder in deutschen Flüchtlingscamps anzünden ließ. Dann werden die meisten antworten, sie hätten da nicht mitgemacht. Hinterher hat ja immer fast keiner mitgemacht!
Einige wenige aber werden erklären, dass Europa seinen Reichtum schon immer auf Rassismus aufgebaut hat. Einst nannte er sich „Kolonialismus“, später dann „Globalisierung“ und „Welthandel“. „Subunternehmen“ und „Leiharbeit“ waren die Formen industrieller Sklavenarbeit des Exportweltmeisters.
Die Jüngeren werden dann fragen, ob die Älteren denn nach alledem überhaupt noch eine Chance sähen, dass junge Menschen aus Europa in den Ländern aufgenommen würden, wo die Dürren des andauernden Klimawandels noch nicht so ausgeprägt sind. Dann werden die Alten antworten, dass die Menschen in Afrika denen in Europa nur mit gleicher Münze heimzahlen, was ihre Eltern einander angetan haben. Der Fluch der Flucht liegt vor allem darin, dass man in der Fremde eben immer der Fremde ist.
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